Zwischen politischer Auseinandersetzung, Greenwashing, Greenhushing – EmpCo, Green Claims und TTPA
Aktuell gibt es große Bewegungen bei den Nachhaltigkeitsthemen: Einige Regulierungen und politische Ziele werden zurückgedreht (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz/CSDDD, Nachhaltigkeitsberichterstattung/CSRD), verschoben (EUDR), vieles bleibt (VSME, Zwangsarbeitsverordnung), einiges tritt gerade erst in Kraft (EmpCo, TTPA), bei manchem ist es sehr unklar, ob und wenn ja wie es noch kommt (Green Claims Direktive).
Als Geschäftsführer unserer Nachhaltigkeitsberatung erlebe ich täglich den Spagat: zu viel versprechen (Greenwashing und berechtigte „Kritik der Großen Geste”/Nassehi) vs. zu wenig sagen (Greenhushing). Die Frage, was überhaupt gesagt werden kann und was gerade jetzt unbedingt gesagt werden sollte, beschäftigt uns sehr: In Projekten mit NGOs und Unternehmen, im ehrenamtlichen Engagement und Unternehmer-Netzwerken zum Beispiel beim BNW und bei BNI, privat. In dieser Welt, die vielleicht stärker als zuvor von extremen Positionen geprägt wird, navigieren mein Team und ich unsere Kunden durch die Wellenberge. Dabei sind die sich verändernden Rahmenbedingungen zugleich wichtige Wegweiser und gefährliche Riffe, auf die wir nicht auflaufen dürfen. Auf dem Kunden-Schiff bleibt es dabei wichtig, die richtigen Brücken zwischen Nachhaltigkeits-, Kommunikations-, Marketings-, Vertriebs- und Rechts-Verantwortlichen zu schlagen: Unternehmerisches Engagement und direkte Produktvorteile zu kommunizieren und zu bewerben, nicht übers Ziel hinausschießen. Was ist relevant, was erlaubt?
Neben allem sinnvollen Storytelling ist dabei aktuell besonders die ab 2026 gültige „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel” (Empowering Consumers Directive, EmpCo) relevant. Sie regelt europaweit einheitlich nachhaltigkeitsbezogene werbliche Aussagen und ergänzt damit in Deutschland das schon lange bestehende Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und die diversen Gerichtsurteile, die darauf basierend in den letzten Jahren gefallen sind, allen voran das „Katjes-Urteil” des Bundesgerichtshofes.
Was EmpCo verlangt
Die Empowering Consumers-Richtlinie macht Umweltclaims prüfbar – grob zusammengefasst:
- Präzision statt Poesie: Keine vagen Begriffe („grün“, „umweltfreundlich“) ohne klare Methode, Systemgrenzen und Zeitbezug.
- Belege am Claim: Quelle, Berechnungslogik, Prüfdatum – dort verfügbar machen, wo geworben wird.
- Faire Vergleiche & Labels: Gleiches mit Gleichem vergleichen; Fantasie-Siegel vermeiden, anerkannte Standards nutzen.
- Kompensationsmaßnahmen und Klima: Verbot von Umweltaussagen zu neutralem, reduziertem oder positivem Ausstoß von Treibhausgasemissionen, wenn dies auf Kompensationsmaßnahmen beruht
Die Mitgliedstaaten haben bis zum 27.03.2026 Zeit für die Umsetzung in nationales Recht. In Deutschland wird dazu das UWG ergänzt, hier ist der aktuelle Referentenentwurf von Anfang September dazu. Zusätzlich wird gerade noch die Green Claims Direktive verhandelt – aber ob die noch kommt, ist sehr ungewiss. Würde sie kommen, wären vor allem Umweltclaims von einer öffentlichen Stelle freizugeben, bevor sie veröffentlicht werden könnten. Diese Bürokratie könnte hier vor allem schützend für kleinere Unternehmen wirken, aber auch Prozesse verzögern: Wer lässt schon gerne seine Werbeaussagen erst mal von einer Landesbehörde freigeben und bezahlt zusätzlich dafür?
Wo TTPA bremst – besonders für NGOs
Gleichzeitig tritt in diesen Tagen die Verordnung zur Transparenz und das Targeting politischer Werbung (TTPA) in Kraft. Die TTPA greift, wenn Kommunikation als politische Werbung gilt – also zum Beispiel wenn Nachhaltigkeitsbotschaften Meinungen, öffentliche Entscheidungen oder Gesetzgebung beeinflussen (z. B. zu Energie-, Landwirtschafts-, Klima- oder Kreislaufpolitik). Die daraus folgenden Pflichten wollen die US-Plattformen wie Meta und Google nicht umsetzen – und blockieren ab sofort gleich alle politischen Werbungen, besonders Meta auch mit einem sehr breiten Themenfilter. Dabei sind die Anforderungen nicht unschaffbar:
- Transparenzpflichten: deutliche Hinweise, wer zahlt/verantwortet; ggf. Ad-Repository & Dokumentation.
- Targeting-Grenzen: eingeschränkte Möglichkeiten für Mikro-Targeting; sensiblere Prüfprozesse der Plattformen.
- Operativer Aufwand: mehr Nachweise, höhere Ablehnungsrisiken – gerade für NGOs mit knappen Ressourcen.
Mehr zu den Folgen der TTPA-Regulierung und den Entscheidungen der Konzerne in meinem letzten Blogpost.
So hält Ihre Kommunikation stand – und bleibt wirksam
Zwei-Gleise-Modell einführen:
- Commercial Track (EmpCo): Produkt-/Unternehmensclaims, LCA- oder Siegel-belegt, ohne Politikbezug.
- Public-Interest Track (TTPA): Issue-Kampagnen mit klaren Transparenzhinweisen und dokumentierter Verantwortlichkeit.
- Claim-Hygiene (EmpCo-ready): Eine exakt belegte Wirkung pro Claim (Scope, Baseline, Zeitraum). Kein „klimaneutral“-Versprechen, keine Klimaaussagen ohne strikte Methodik und Offenlegung von Grenzen.
- Evidence Pack & Audit Trail: 1-Pager mit Methode, Datenstand, Review; Versionskontrolle je Asset (nützt für EmpCo und TTPA).
- KI mit Guardrails: KI für Varianten, Konsistenz, Faktencheck – nicht für neue „Fakten“. Menschliche Freigabe bleibt Pflicht.
TTPA-Check vor Launch:
- Berührt die Botschaft politische Vorhaben/Entscheidungen?
- Sind Transparenzbanner, Auftraggeber, Kontakt & Finanzierung klar?
- Ist das Targeting zulässig und dokumentiert?
NGO-Spezialtipp: Wenn Budget knapp ist, auf organische Reichweite, PR, Partnerschaften und einfach umsetzbare Transparenzbausteine setzen; bezahlte Issue-Ads nur dort, wo TTPA-Compliance gesichert ist.
Persönliches Fazit
EmpCo belohnt ehrliche, belegte Wirk-Claims. TTPA fordert Fairness und Offenheit, sobald wir Debatten beeinflussen. Wer beide Logiken sauber trennt, klare Belege liefert und Transparenz nicht als Hürde, sondern als Qualitätssignal versteht, kommuniziert mutig – ohne Reputations- oder Rechtsrisiko. Beide Regulierungen bieten, so abgedroschen es klingt, auch echte Chancen, Nachhaltigkeitskommunikation neu zu denken. Aber ja: anstrengend sind sie manchmal auch – sie sagen ja auch nur, was nicht geht. Die Arbeit bleibt, zu erschaffen, was geht, und das auch wirklich umzusetzen (kein Greenhushing).
Let’s go!
Sebastian Olényi